Veranstaltung: | Entwurf Landtagswahlprogramm Brandenburg 2019 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 2. GEMEINSAM und GERECHT - für eine solidarisches Brandenburg |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.10.2018, 17:05 |
Antragshistorie: | Version 1 |
2.6NEU3: Würdevoll alt werden: Pflege
Text
Ziel grüner Politik ist es, die Gesundheit und Selbstständigkeit älterer Menschen möglichst lange zu erhalten. Die entscheidenden Rahmenbedingungen dafür entstehen im Quartier, in der Kommune. Für ein gutes Leben im hohen Alter brauchen Menschen ein gutes Wohnumfeld, die gute Erreichbarkeit von Arztpraxis, Apotheke, Bank und Geschäften. Insbesondere für mobilitätseingeschränkte ältere Menschen sind ein barrierefreier Öffentlichen Personennahverkehr und der barrierefreie Zugang zu sozialen und kulturellen Angeboten entscheidend.
Der überwiegende Anteil der Pflegebedürftigen wünscht sich, in den vertrauten vier Wänden bis zum Lebensende wohnen zu bleiben. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Organisation von Pflege, sondern vor allem auch auf die Planung und Gestaltung des Wohnumfeldes. Wir brauchen neue Wohnformen. Wir wollen den Genossenschaftsbau stärker fördern, prüfen, wie und für wen Wohngemeinschaften eine echte Alternative zu den eigenen vier Wänden oder der stationären Pflegeeinrichtung sein können. Außerdem wollen wir den barrierefreien sozialen Wohnungsbau entschlossener fördern. Unser Ziel ist, gute Rahmenbedingungen für lebenswerte Orte für Zu-Pflegende und Pflegende zu schaffen.
Neue Wege in der Pflege
In Brandenburg gibt es überdurchschnittlich viele pflegebedürftige Menschen (im Bundesdurchschnitt sind es 3,5 Prozent, in Brandenburg 4,5 Prozent). Durch den demographischen Wandel werden zukünftig noch mehr alte und sehr alte Menschen hier leben. Gleichzeitig gibt es immer weniger junge Leute und eine zurückgehende Zahl an Pflegekräften. Wenn die Entwicklung so weiter geht, wird immer weniger Pflegepersonal immer mehr Pflegebedürftigen gegenüber stehen.
Das Altern ist vielfältig und bunt geworden. Wir stehen für eine würdevolle Pflege, die begleitet und unterstützt. Die Anforderungen an Pflege und Unterstützung steigen, da die Zielgruppen vielschichtiger werden. Menschen mit einer Demenz, mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen, mit verschiedenen sexuellen Identitäten – all diese Konstellationen und Bedürfnisse müssen auch im Alter berücksichtigt werden. Alte Menschen wollen selbst entscheiden, wie und mit wem sie leben und wie sie gepflegt werden. Ambulante Pflegeangebote, zukunftsweisende Wohnformen und solidarische Nachbarschaften entsprechen zeitgemäßer Pflege. Alle diese Initiativen werden wir unterstützen. Insbesondere wollen wir die „Fachstelle „Altern und Pflege im Quartier“ (FAPIQ) stärken, die sich um den Aufbau eines guten Pflegeumfeldes vor Ort kümmert. Pflegestützpunkte und Pflegenetzwerke wollen wir ausbauen.
Mehr Nachwuchs, gute Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen
Die pflegerische Arbeit ist äußerst belastend: Die Arbeit ist körperlich und seelisch anstrengend, die Bezahlung schlecht. Zwischen 80 und 85 Prozent der Beschäftigten sind Frauen. Der Krankenstand ist weit über dem Bundesdurchschnitt. Die durchschnittliche Verweildauer im Beruf liegt bundesweit nur bei 8,4 Jahren. Der gewerkschaftliche und berufspolitische Organisationsgrad ist niedrig, die Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sind schlecht. In der Pflege gibt es weiterhin einen unterschiedlichen Mindestlohn in West- und Ostdeutschland (10,55 Euro versus 10,05 Euro), die Teilzeitquote liegt zwischen 53 Prozent und 75 Prozent. Damit ist Altersarmut vorprogrammiert.
Wir wollen die Attraktivität des Berufs steigern, indem wir die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Pflege deutlich verbessern. Für den Fall, dass sich die Angehörigen der Pflegeberufe im Land Brandenburg für eine Pflegekammer aussprechen, werden wir eine rasche Gründung der Kammer unterstützen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Kammer den professionell Pflegenden ermöglicht, über Inhalte ihrer Arbeit, die Qualifikation und Zusatzqualifikationen ihres Berufs, die Einhaltung der Berufsordnung und somit auch Versorgungsqualität mitzubestimmen. Weiterhin setzen wir uns für eine vollständige Kostenfreiheit in der Ausbildung und eine Ausbildungsvergütung ein. Das Angebot einer akademischen Pflegeausbildung wollen wir ausweiten.
Wir möchten, dass die Pflegekräfte in Zukunft ein Stimmrecht bei der Planung und Verzahnung von sektorenübergreifenden Versorgungsfragen erhalten.
Mehr Mitsprache für Pflegebedürftige
Wir wollen auch im Pflegebereich mehr Demokratie. Die Bewohner*innen in Heimen und ihre Interessenvertretung – die Heimbeiräte – müssen ein größeres Mitspracherecht bei der Gestaltung des Alltags und bei Veränderungen des Angebots erhalten.
Maßnahmen gegen Abrechnungsbetrug
Die Verdachtsfälle von Abrechnungsbetrug ambulanter Pflegedienste in Brandenburg und Berlin sorgen für viel Verunsicherung. Um den pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen eine größtmögliche Sicherheit gewährleisten zu können, wollen wir das bestehende Prüfsystem ambulanter Pflegedienste weiterentwickeln. Die Bundesregierung hat mit dem Pflegestärkungsgesetz III zwar Maßnahmen gegen den Abrechnungsbetrug ergriffen. Es wurden aber hauptsächlich nur die Möglichkeiten für Pflegekassen erweitert, gegen Betrugsfälle vorzugehen. Es fehlt hingegen weiterhin die Beteiligung der Sozialhilfeträger, die über die Hilfe zur Pflege einen großen Teil der Kosten für Pflege in Deutschland tragen. Wir wollen im Land Brandenburg durch das Landesamt für Soziales und Versorgung Prüfsysteme für ambulante Pflegedienste einführen, die dem Betrug entgegen wirken.
Lebensende in Würde
Zu einer guten Pflege gehört es auch, den Sterbenden ein Lebensende in Würde zu ermöglichen. Wir streben an, über die bestehenden bundesrechtlichen Rahmenbedingungen hospizliche Leistungen in stationären Pflegeinrichtungen auszubauen.
Ein Großteil der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Pflege wird bundesgesetzlich geregelt. Mit Bundesratsinitiativen wollen wir für eine Reform der Pflegeversicherung, die Einführung einer Pflegezeit analog zur Elternzeit, sowie eine steuerfinanzierte, auskömmliche Garantierente und ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West eintreten. Wir fordern verbindliche Personalbemessungsinstrumente in der Pflege ein, damit klar geregelt wird, wie viele Patient*innen eine Pflegekraft maximal gut betreuen kann.
Kommentare