Veranstaltung: | Entwurf Landtagswahlprogramm Brandenburg 2019 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 1. ÖKOLOGISCH und NACHHALTIG - damit Brandenburg grüner wird |
Antragsteller*in: | landesvorstand (dort beschlossen am: 22.10.2018) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 22.10.2018, 12:18 |
Antragshistorie: | Version 1 |
1.8NEU2: Grüne Gründerzeit: sozial-ökologisch Wirtschaften
Text
Mehrere Megatrends wirken sich grundlegend auf Wirtschaft und Gesellschaft aus: Die Digitalisierung auf die Art, wie wir kommunizieren, wie wir uns informieren, wie wir produzieren und konsumieren. Gleichzeitig wirkt sich die Klimakrise und das Fördermaximum von fossilen Energieträgern auf die finanzielle und politische Verfügbarkeit dieser Rohstoffe aus. Die demografische Entwicklung führt zu einem massiven Fachkräftemangel. Hinzu kommt eine aktuelle Phase der Hochkonjunktur auf der einen und der wachsenden Vermögens- und Einkommensunterschiede auf der anderen Seite. Grundansatz unserer Wirtschaftspolitik ist es, die vorhandenen Mittel nachhaltig in die Zukunft zu investieren. Das bedeutet Ressourcen sparsam einzusetzen und die Umwelt nicht zu verschmutzen, die Wertschöpfung fair zu verteilen und Armut zu bekämpfen sowie die das gesamtgesellschaftliche Kosten-Nutzen-Verhältnis zu betrachten. Wir wollen die Wirtschaftspolitik darauf ausrichten, dass Produktion und Dienstleistungen in Brandenburg in Zukunft ökologischer, solidarischer, digitaler, kommunikativer, dezentraler und vernetzter werden. Brandenburg soll Vorreiter in Sachen sozialökologische Marktwirtschaft werden. Kleine und mittelständische Unternehmen sowie Gründer*innen sind häufig die Treiber*innen dieser Transformation und sind für uns Hauptaugenmerk unser Wirtschaftspolitik. Mit der Förderung dieser wollen wir zudem den immer größer werdenden Monopolstrukturen etwas entgegensetzen.
Auf Qualität statt Quantität setzen
Während die Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit vor allem auf Quantität setzte, um Arbeitsplätze zu schaffen bzw. die Arbeitslosigkeit zu senken, stehen wir heute vor einem zunehmenden Fachkräftemangel, der eine Verschiebung hin zu einer neuen qualitativen Wirtschaftsförderung verlangt. Auch die ökologischen Leitplanken verlangen eine konsumkritische Abkehr von der undifferenziert immer weiteren Steigerung der Produktion. Es kommt auch darauf an, Wegwerfprodukte durch langlebige Waren zu ersetzen, zu reparieren statt wegzuschmeißen, Dinge Second Hand zu nutzen statt neu anzsuchaffen und Dinge zu teilen, statt zu besitzen. Mit nachhaltiger Wirtschaftsförderung wollen wir die vielen Ideen, die diese Ansätze bereits beherzigen, vorantreiben.
Die Wirtschaftspolitik der rot-roten Landesregierung schenkt diesen neuen Impulsen wenig Beachtung. Das fortwährende Festhalten an der Braunkohlewirtschaft ist ein symptomatisch für einen innovationsfeindlichen Wirtschaftskonservatismus, der für die Gewinne von heute die Chancen von morgen opfert und Regionen ihre Zukunft raubt. Viel zu wenig wird hingegen auf die vielerorts kleinteilig geprägte Wirtschaft unseres Landes eingegangen. Es fehlt eine professionelle und aktivierenden Gründungs- und Innovationsförderung, ein Fokus auf Kreativität und Gründung im Bildungsbereich und eine Strategie gegen den Brain-Drain von Querdenker*innen, Akademiker*innen und Fachkräften. Wir treten dafür ein, dass Brandenburg das Image eines innovativen Wirtschaftsraums bekommt.
Ziel einer landesweiten Start-Up- und Innovationspolitik muss es sein, sich nicht nur auf Hochschulstandorte und junge Akademiker*innen zu konzentrieren. Das Potenzial ist auch in anderen Teilen des Landes und beispielsweise im Handwerk hoch. Wir setzen uns für die kostenfreie Meisterausbildung in Brandenburg ein und wollen, dass auch hier Aspekte der Digitalisierung und der Innovationsförderung stärker Berücksichtigung finden.
Gründungen anschieben
In Zeiten von Hochkonjunktur und Fachkräftemangel wollen wir weg von den Investitionszuschüssen und Fördermitteln für Beton, hin zu Strukturen, die Kreativität und Innovation ermöglichen und damit Gründungen anschieben! Da nicht jede Idee beim ersten Versuch funktioniert, brauchen wir auch in Brandenburg eine neue fehlertolerante Gründungskultur. Leider stehen die Chancen dafür in Brandenburg derzeit schlecht. Laut Gründungsmonitor der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist Brandenburg 2017 im Drei-Jahres-Vergleich der Bundesländer von Rang 13 auf Rang 15 abgerutscht. Interessant ist dabei der Blick auf die Ergebnisse des Green Economy Gründungsmonitors 2017: Bei den grünen Gründungen weist Brandenburg zwischen 2006 und 2016 die zweithöchste Gründungsintensität aller Bundesländer auf. Dies zeigt, dass Brandenburg als ländlich geprägtes Bundesland mit einer großen Relevanz des Energiesektors gute Bedingungen für Start-Ups mit Schwerpunkten in den Bereichen Kreislaufwirtschaft, Landwirtschaft & Ernährung und in den erneuerbaren Energien bietet. Die Green Economy fasst in Brandenburger schneller Fuß als andernorts. Einige Standorte haben einen Leuchtturmeffekt und locken junge Start-Ups an, wie z.B. der Digital Hub Potsdam, SAP, der Filmpark Babelsberg und Hennigsdorf als Pilot-Stadt für die FFTH-Technologie (Glasfaser bis ins Gebäude).
Viele Untersuchungen zeigen, dass Frauen anders gründen. Deshalb wollen wir Netzwerkstrukturen und Forschung zu Genderaspekten stärker unterstützen. Bestehende Strukturen wie das Unternehmerinnen-Netzwerk in Brandenburg sind wichtig und müssen weiterhin gefördert und unterstützt werden. Um diesen Mut anzuerkennen, zeichen wir monatlich im ganzen Land eine "Grüne Gründerin" für eine innovative, nachhaltige Geschäftsidee aus. Die positiven Ansätze im Land wie der Business Plan Wettbewerb, das Gründungsnetz Brandenburg, die Gründungsförderung der Hochschulen und die landesweiten Lotsendienste haben die Wahrnehmung Brandenburgs als Gründerland schon verbessert. Diese Aktivitäten vieler Akteure in Kooperation mit dem Wirtschafts- und mit dem Sozialministerium begrüßen wir ausdrücklich. Sie müssen aber noch effizienter, konzeptionell weiter ausgearbeitet und verstetigt werden.
Eine passgenaue Gründer*innen-Förderung soll den unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragen. Nur ein kleiner Teil der Gründungen sind „Wachstumsgründungen“, also solche, die mit ihren Projekten auf ein nachhaltiges Wachstum zielen. Zudem tragen sie zu der Entstehung eines qualifizierten Arbeitsmarkts bei, der dann wiederum weitere innovative Unternehmen anzieht. Wachstumsgründungen sind digitaler, innovativer, aber auch kapitalintensiver als andere Gründungen. Für diesen Bedarf braucht es besondere Förderinstrumente. Vier Faktoren müssen dabei zusammenspielen: Inspiration, Qualifizierung, Infrastruktur und Finanzierung. Damit können Formate und Orte geschaffen werden, die die Wahrscheinlichkeit von Gründungen erhöhen. Um eine größere Kompetenz für den Bereich Innovation und Start-Up Politik in der Landesregierung zu verankern, fordern wir einen Innovations- und Start-Up-Beirat, angesiedelt beim Wirtschaftsministerium.
Die Gründungszentren an unseren Hochschulen wollen wir ausbauen – sie sollen gemeinsam mit den Technologiezentren stärker in die jeweilige Region hineinwirken. Entsprechende Strukturen an den außeruniversitären Forschungszentren kommen bislang nicht in den Genuss einer Landesförderung. Notwendig sind aber auch außeruniversitäre Innovationszentren, in denen – themen- oder branchenspezifisch – mit geeigneten Moderationsformen an der Sammlung und Konkretisierung spezifischer Lösungsideen gearbeitet wird. Sie sollten eine inspirierende Gemeinschaft bieten, die durch Formate wie Hackathons oder Prototypenwochen branchenübergreifende Innovationen sowie Teamfindung ermöglicht. Das Angebot wird durch Weiterbildungsangebote zu Themen der Unternehmensführung, wie Innovationsmanagement, Projektmanagement, Finanzplanung abgerundet. Wir möchten, dass mindestens zwei Innovationszentren, die sich an unterschiedlichen Orten außerhalb des Berliner Umlandes befinden, modellhaft gefördert und im Rahmen eines begleitenden Forschungsprojekts evaluiert werden. Darüber hinaus möchten wir einen landesweit wirkenden Inkubator einrichten, in dem besonders chancenreiche Start-Ups das Angebot erhalten, in einem Start-Up-Bootcamp einen Feinschliff zu bekommen. Es kann als Auftrag vergeben oder im Rahmen einer langfristigen Projektförderung betrieben werden.
Soziales Unternehmertum stärken
Wir wollen die Wirtschaftspolitik des Landes auch für soziales Unternehmertum oder Projekte zur ökologischen Nachhaltigkeit verfügbar machen. Gewinn- und wachstumsorientierte Start-Ups, beispielsweise aus Medizintechnik oder Softwareentwicklung, sollen soziale und ökologische Kriterien einhalten müssen, um von der Wirtschaftsförderung zu profitieren. Unsere Wirtschaftsförderpolitik darf deshalb nicht einseitig ökonomisch orientiert sein, sondern muss sich an ökologischen Kriterien, fairer Bezahlung der Arbeitnehmer*innen, sowie der Verhinderung von Monopolstrukturen orientieren. Ideen, die unsere Gemeinschaft stärken oder ökologisch nachhaltig sind, verdienen Vorfahrt.
Zur Unterstützung von jungen oder kleinen Unternehmen wollen wir unter Berücksichtigung der regionalspezifischen Bedarfslagen offene Werkstätten etablieren. In ihnen können Geräte und Technologien genutzt und geteilt werden, die für jedes einzelne Unternehmen alleine zu teuer wären. Zur Refinanzierung der Werkstätten schlagen wir Nutzungsgebühren vor, die je nach Größe und Wirtschaftskraft der Nutzer unterschiedlich hoch ausfallen. Für derartige offene Werkstätten wollen wir die Fachhochschulen im Land nutzen. Auch genossenschaftliche oder vereinsartige Trägerstrukturen in Anlehnung an landwirtschaftliche Maschinenringe sind dafür denkbar. Das ist auch eine Frage der Ressourcenschonung, da somit weniger Geräte notwendig sind und diese besser ausgelastet sind.
Das richtige Umfeld schaffen
Gerade Unternehmer*innen in den grünen und sozialen Ökonomien, haben eine hohe innere Motivation. Sie brauchen aber Stärkung, Inspiration und Vernetzung, wofür kreative, offene und kulturelle Milieus eine Voraussetzung sind. Sogenannte weiche Standortfaktoren wie ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr, wohnortnahe Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen und ansprechender Wohnraum sind letztlich Teil einer guten Wirtschaftspolitik. Auch eine menschenrechtsorientierte und offene Gesellschaftspolitik (humane Asylpolitik, Gleichstellung und aktive Antidiskriminierungspolitik) trägt zu einem attraktiven Standort bei. Unerlässlich für eine erfolgreiche Unternehmenslandschaft ist eine gute digitale Infrastruktur mit glasfaserbasiertem Breitbandanschluss. Genauso braucht es eine unbürokratische Verwaltung, die es ermöglicht Anträge etc. komplett online abzuwickeln.
Co-Working-Spaces liegen in Brandenburg im Trend. Wir sehen sie als wichtige Grundlage um eine attraktive Arbeit der Zukunft im ländlichen Raum zu gewährleisten und den negativen Faktoren des demografischen Wandels entgegenzuwirken. Daher wollen wir ein Förderprogramm auflegen, um in ganz Brandenburg in zehn Regionen solche Initiativen zu starten.
Kommentare